Rundfunk- und Fernsehanstalt der Islamischen Republik Iran (IRIB) - 28.05.2020 - Königs Wusterhausen, GERMANY
Frage 1
Wie konnte der Jemen mit leeren Händen und trotz enormen Schäden und Zerstörungen, die die Infrastruktur des Landes durch Kriegshandlungen Saudi Arabiens erlitten hat, zu so einer beachtlichen militärischen Fähigkeit, unter anderem die Entwicklung und Bau von fortgeschrittenen Raketen und unbemannten Flugzeugen gelangen.
Frage 2
In welchen Provinzen kam es zu den umfassenden Plünderungen der Öl- und Gas-Ressourcen Jemens und wie wurde die Plünderung durchgeführt?
Frage 3
Wie wurde 2016 die Verlegung der jemenitischen Zentralbank von Sanaa nach Aden vorgenommen und welche ökonomischen Auswirkungen hat diese Verlegung nach sich gezogen?
Frage 4
Ist die Zerstörung der jemenitischen Infrastruktur ein Kriegsverbrechen? Wie umfangreich sind diese Zerstörungen, die einen Wiederaufbau erforderlich machen?
Frage 5
Wie oft hat die von Saudi Arabien geführte Kriegskoalition verbotene Waffen eingesetzt? Ist es dazu nicht notwendig, gerichtliche Verfahren einzuleiten?
Mathias Tretschog - Gründer von Stop the WAR in Yemen
IRIB - Frage 1) Wie konnte der Jemen mit leeren Händen und trotz enormen Schäden und Zerstörungen, die die Infrastruktur des Landes durch Kriegshandlungen Saudi Arabiens erlitten hat, zu so einer beachtlichen militärischen Fähigkeit, unter anderem die Entwicklung und Bau von fortgeschrittenen Raketen und unbemannten Flugzeugen gelangen.
Lassen Sie mich zunächst einmal kurz beschreiben, was die Friedensinitiative Stop the WAR in Yemen seit ihrer Gründung im Februar 2017 bisher geleistet hat.
Da in Deutschland über den Krieg im Jemen mit Beginn des 26. März 2015 so gut wie gar nicht in den Medien berichtet wurde, mussten als erstes seriöse und verlässliche nationale und internationale Quellen und Ansprechpartner gefunden werden. Inspiration dazu war der zufällige Besuch der Jemenkonferenz in Berlin am 25. Februar 2017.
Seitdem wurden weit über 10.000 Veröffentlichungen von inn- und ausländischen Presseagenturen, NGOs, Regierungen bis hin zu öffentlichen Geheimdienstberichten gesichtet, bewertet und über 3.000 Quellen im Medienspiegel (Presse) systematisch fixiert.
So konnte eine mobile Wanderausstellung über den Jemenkrieg im Jahr 2018 entstehen, die auf zahlreichen Veranstaltungen und Festivals präsentiert wurde und wird. Offene Briefe an die Bundesregierung und Weltgemeinschaft, Protestkundgebungen vor der US-Botschaft in Berlin wurden organisiert. Gemeinsam mit der Jemen-Community in Deutschland wurden Konferenzen über Ursachen, Verursacher und Folgen des Jemenkrieges abgehalten bis hin zu Gastvorträgen vor dem Menschenrechtsrat bei den Vereinten Nationen in Genf.
Der Jemen ist zwar das ärmste Land auf der Arabischen Halbinsel, stand und steht aber nicht mit leeren Händen da. Die Jemeniten gehören zu einem der ältesten Völker der Welt mit einer faszinierenden Kultur und langen Traditionen. Sie sind bescheiden, geduldig, mutig und klug.
Was die militärischen Fähigkeiten und Erfolge – insbesondere der Houthi-Kämpfer anbetrifft, so gibt es mehrere Faktoren. Zum einen agieren die Houthi-Kämpfer in einem Gebiet, in dem sie sich bestens auskennen und das von zahlreichen Bergen mit bis zu 3.900 Metern Höhe geprägt ist.
Obwohl unter dem Langzeitpräsidenten Saleh auf Druck der USA die jemenitische Luftwaffe de facto aufgelöst wurde, waren die Waffenarsenale des jemenitischen Militärs randvoll auch mit modernsten Waffen und enormen Munitionsvorräten bestückt. Jemen gehört bis heute neben den USA zu den Ländern, wo die meisten Waffen pro Einwohner verfügbar sind.
Neben einer starken und kampferprobten militärischen Führung der Ansarullah-Bewegung, schlossen sich auch loyale Militärs und Truppen der ehemaligen Saleh-Regierung gegen die Hadi-Regierung an, so dass der Zugang zu den Waffen-Arsenalen der Jemenitischen Armee gegeben war.
Trotz der jahrzehntelangen wirtschaftlichen Stagnation Jemens, gibt es tausende Jemeniten, die an den besten Universitäten dieser Welt studierten und studieren bzw. Lehraufträge haben. So ist es möglich, das Ingenieure und Erfinder im Jemen, vorhandene Raketentechnik aus den Waffen-Arsenalen Salehs zu einem Modernen und erfolgreichen Drohnenprogramm entwickeln konnten, mit dem sie den saudischen Aggressoren empfindliche Verluste beibringen konnten und können.
Was aber der größte Vorteil der der s. g. Houthi-Rebellen gegenüber ihren ausländischen Aggressoren mit ihren weltweit rekrutierten Söldnern ist, sie verteidigen mit Leib und Seele ihre Heimat und werden es niemals zulassen, unter einer fremden Herrschaft zu leben.
Selbst die stärkste Militärmacht dieser Welt, die USA mit ihren NATO-Kriegspartnern an der Seite Israels und einer von Saudi Arabien angeführten afrikanisch/arabischen Kriegskoalition, konnten in fünf Jahren den Widerstand des jemenitischen Volkes, seiner Stämme und des Obersten Politischen Rates nicht brechen.
IRIB - Frage 2) In welchen Provinzen kam es zu den umfassenden Plünderungen der Öl- und Gas-Ressourcen Jemens und wie wurde die Plünderung durchgeführt?
Wenn sich die Länder der saudischen Kriegskoalition inkl. der NATO-Staaten – insbesondere den USA, GB, Frankreich und Deutschland nicht gegen den Jemen verschworen hätten, könnte der Jemen heute zu einem der reichsten und einflussreichsten Länder der Welt gehören.
Saudi Arabien gehört neben Venezuela zu den Ländern, die in der öffentlichen Wahrnehmung weltweit über die größten Erdölreserven verfügen. Nach aktuellen geologischen und ingenieurtechnischen Informationen – Stand 2018, verfügt allein Saudi Arabien über 41 Mrd. Tonnen förderbaren Rohöls.
Aus einer Reihe geheimer Dokumente - die von Wikileaks um 2013 veröffentlicht wurden, geht jedoch hervor, dass der Jemen über die größten unterirdische Erdölreserven der Welt verfügt, was bisher versucht wurde geheim zu halten.
Der Jemen verfügt laut Insidern des Nahen und Mittleren Ostens, über mehr Erdölreserven als die gesamte Region am Persischen Golf, zu finden in den Provinzen al-Dschauf, Ma´rib, Schabwa und Hadramaut.
Allein in der Provinz al-Dschauf liegt Rohöl im Boden, das die Fördermengen der drei Golfstaaten Saudi-Arabien, Kuwait und den Emiraten zusammen übertreffen, was mehr als 68 Mrd. Tonnen wertvollen Rohöls bedeutet. Die Öl-Reserven von al-Dschauf liegen unmittelbar an der Grenze zu Saudi Arabien etwa 1.800 Meter unterhalb der Erdoberfläche aber zu 95 % auf dem Hoheitsgebiet Jemens im Einflussgebiet des Ex-Präsidenten Jemens.
Die American Herald Tribune berichtet 2017, dass Saudi-Arabien in Zusammenarbeit mit dem französischen Energieriesen Total die Rohölreserven in der angrenzenden Regionen al-Dschauf, von saudischem Gebiet aus schräg anbohrt und so Millionen Barrel Rohöl pro Tag, jemenitisches Öl stielt.
Obwohl Jemen derzeit nicht in der Lage ist, die Ölvorkommen in großen Mengen selbst abzubauen, könnte der Jemen unter einer „Houthi-Regierung“ zu einem mächtigem und einflussreichem Staat und Öl-Konkurrenten für die Golf-Monarchien erwachsen, was die USA und NATO, Israel und verbündete Kriegsländer Saudi Arabiens seit 2015 mit ihrem Krieg gegen den Jemen verhindern wollen.
Ex-Präsident Hadi ist der Garant für den Zugriff auf das jemenitische Öl, was erklärt, warum die s. g. „internationale Staatengemeinschaft“, an dem schlechtesten Präsidenten Jemens aller Zeiten festhält, und ihn in sein Amt zurück bomben will.
Laut der Nachrichtenagentur FNA, hat Saudi-Arabien mit den USA ein geheimes Abkommen unterzeichnet, um zu verhindern, dass der Jemen in den letzten 30 Jahren seine Ölreserven nutzt".
Bis 2015 gehörten Ölexporte zu den wichtigsten Einnahmequellen Jemens. Saudi-Arabien und VAE kontrollieren seit dem Beginn des Krieges die Einnahmen von Öl und Gas, was einem Marktwert von ca. 20 Milliarden USD entspricht, die z. ab. für die Auszahlung der Beamtengehälter verloren gegangen sind.
Laut Informationen des Obersten Politischen Rates wurden alleine im November 2019 in den Provinzen Hadramaut, Marib und Schabwa über 2.5 Mio. Barrel pro Tag gefördert, was einen Durchschnittpreis von Brent-Rohöl für November von 156 Mio. USD/Tag ausmacht.
IRIB - Frage 3) Wie wurde 2016 die Verlegung der jemenitischen Zentralbank von Sanaa nach Aden vorgenommen und welche ökonomischen Auswirkungen hat diese Verlegung nach sich gezogen?
Lassen Sie uns zunächst die Aufgaben und Zweck einer Zentralbank erläutern:
► Verlegung der Zentralbank von Sanaa nach Aden im September 2016
Ziel der Verlegung:
Bis 2016 bewahrte die Zentralbank ihre Neutralität, so dass die Gehälter der Staatsdiener beider Seiten – Bedienstete der Ex-Präsident-Hadi-Regierung bzw. die Staatsdiener auf Seiten des Obersten Politischen Rates (Houthi-Regierung) gezahlt wurden.
Die Zentralbank sorgte für die Zahlung lebenswichtiger Importe.
Jemens Importe:
► Auswirkungen – Hunger als Kriegswaffe gegen die eigene Bevölkerung
Mit der Verlegung der Zentralbank Jemens von Sanaa nach Aden verlieren ~ 1,2 Millionen staatliche Angestellte ihr Arbeit (1/4 der Erwerbseinnahmen der Bevölkerung) und somit ~ 6 Mio. Menschen die Existenzgrundlage. Ganze Familien werden in die Hungersnot getrieben, bis heute stehen die Gehälter der Staatsdiener aus.
Derzeit sind 22. Mio. Jemeniten von humanitären Hilfsleistungen aus dem Ausland abhängig, ca. 8 Mio. sind von akuter Hungersnot bedroht, aller 10 Minuten stirbt ein Kind an vermeidbaren Umständen, wie Hunger, Krankheiten und fehlender medizinischer Versorgung.
Die wichtigsten staatlichen Einnahmen aus Öl- und Gasgeschäfte werden in Aden statt in Sanaa verbucht, und fehlen so der Finanzierung staatlicher Aufgaben im Nord-Jemen. Die Zentralbank in Sanaa ist gezwungen Geld zu drucken, hinter dem kein tatsächlicher Wert steht.
Der Jemen leidet unter einer dramatischen Inflationsrate von 42 %!
22 Millionen der Jemeniten haben kein Geld für Nahrung, Geld für sauberes Wasser, kein Geld für Strom, kein Geld für Medizin und ärztliche Versorgung, kein Geld für Treibstoffe, kein Geld für Heizung usw.. Der Schwarzmarkt blüht. Um Hunger zu lindern, werden innere Organe verkauft, Frauen verkaufen ihre Körper, Kinder essen Blätter (Kat) um irgendwie zu überleben.
IRIB – Frage 4) Ist die Zerstörung der jemenitischen Infrastruktur ein Kriegsverbrechen? Wie umfangreich sind diese Zerstörungen, die einen Wiederaufbau erforderlich machen?
Tagtäglich begehen die beteiligten Kriegsländer inkl. ihrer Support-Staaten Kriegsverbrechen gegenüber dem Volk Jemens, Verbrechen an der Menschlichkeit und Völkermord mit dem Ziel, den von einer "international anerkannten Regierung" - Ex-Präsidenten Mansour Hadi, wieder in sein Amt zu verhelfen, dessen demokratische Legitimation, bereits lange vor der völkerrechtswidrigen US/Saudi/Emirati-Invasion im Februar 2014 abgelaufen war. Das sind Verbrechen, die niemals verjähren!
Lassen Sie mich zunächst einige Begriffe erklären – Völkermord, Verbrechen an der Menschlichkeit und Kriegsverbrechen.
► Völkermord
Völkermord wird auch als Genozid bezeichnet. Die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes definiert Völkermord nach Artikel II u. a, nach begangenen Handlungen gegen Mitglieder einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe:
Diese Handlungen müssen in der Absicht begangen werden, die Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören. Es macht sich also schon jemand des Völkermordes schuldig, der lediglich beabsichtigt, also den Vorsatz hat, eine Menschengruppe zu vernichten.
► Verbrechen an der Menschlichkeit
Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind schwere Verstöße gegen das internationale Völkerrecht, die durch systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung gekennzeichnet sind. Sie zählen zu den Kernverbrechen des Völkerstrafrechts und unterliegen dem Weltrechtsprinzip.
► Kriegsverbrechen
Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten, auch Humanitäres Völkerrecht genannt. Als schwere Verletzungen und somit Kriegsverbrechen sind neben weiteren Kriterien aufgeführt:
► 2-3 Beispiele stellvertretend für die gesamte Zerstörung des Jemen:
Jemen, dessen Geschichte über 3.000 Jahre zurückreicht, hat eine einzigartige Kultur und Architektur und beherbergt eine der ältesten Zivilisationen der Welt. Die Hauptstadt Sanaa ist seit mehr als 2.500 Jahren bewohnt. So hat die Saudi/Emirate-Kriegskoalition seit Beginn ihrer Aggression u. a. 475 touristische Stätten inkl. 25 historische Städte, 25 Mausoleen und 42 archäologische Denkmäler zerstört. Von der Insel Sokotra wurden gefährdete Drachenblut-Bäume entfernt und in die Emirate transportiert. …“
Das Bildungsministerium (Nord-Jemen) gab bekannt, dass fünf Millionen jemenitische Studenten betroffen sind. Seit 2016 bis heute, haben 200.000 Lehrer von den Aggressionskräften keine Gehälter erhalten, Lehrer und Schüler fielen militärischen Angriffen zum Opfer. Das Bildungssystem Jemens wurde durch die US/Saudische Kriegsallianz gezielt zerstört. Mehr als 2.500 Schulen wurden beschädigt oder besetzt, 36 Prozent der Kinder im Schulalter, hatten im Jahr 2019 keinen Zugang zu Schulen.
Die Vereinten Nationen haben die Lage im Jemen als die schlimmste humanitäre Katastrophe seit Ende des 2. Weltkrieges eingestuft. Von 30 Mio. Einwohnern, sind 22 Mill. Jemeniten von ausländischen Hilfeleistungen abhängig und von Ernährungsunsicherheit betroffen. Etwa 8 Mio. Jemeniten stehen vor akuter Hungersnot, aller 10 Minuten stirbt ein Kind unter 5 Jahren an vermeidbaren Umständen.
Die Total-Blockade zu Land/Luft und See bzw. Krieg der US/NATO/Saudi/Emirati-Kriegskoalition der letzten 5 Jahre, führten zum Zusammenbruch des Gesundheitssystems, über 400 Gesundheitseinrichtungen wurden bombardiert. Die Folge, Ausbreitung von Pandemien wie Cholera, Masern, Diphterie, Denque-Fieber, Malaria und andere Krankheiten, wo durch vorsätzlich verursachten Medikamentenmangel, Millionen von Menschen keine medizinische Versorgung erhalten können und vor dem vermeidbaren Tod stehen.
IRIB – Frage 5) Wie oft hat die von Saudi Arabien geführte Kriegskoalition verbotene Waffen eingesetzt? Ist es dazu nicht notwendig, gerichtliche Verfahren einzuleiten?
Laut mehreren internationalen Organisationen werden und wurden im Jemen seit Kriegsbeginn verschiedene Munitionsarten gegen die Zivilbevölkerung bzw. Infrastruktur des Landes verwendet, die von den VN geächtet sind. Herkunftsländer sind insbesondere die USA, Großbritannien, Israel und Brasilien.
Alle diese Munitions-Systeme bedeuten durch diverse Blindgänger und radioaktive Verseuchung, eine Langzeitgefährdung der Zivilbevölkerung inkl. folgender Generationen.
Im Jemen kamen bisher zum Einsatz: